Die durch die KünstlerInnen platzierten Kunstwerke am Areal spannen einen Parcours durch unterschiedliche Zonen auf und verweisen auf verschiedene Aspekte seiner Nutzungs- und Zwischennutzungsgeschichte:
Lageplan der künstlerischen Arbeiten am Areal als PDF: Parcours Map

 
 
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Michael Hieslmair & Michael Zinganel

Zeichnen als Projektinitiatoren in einer multimedialen Timeline in der ehemaligen Panalpina-Kantine die Nutzungsgeschichte des Areals nach, vom Überschwemmungsgebiet zum Kopfbahnhof und über die Zwischennutzungen für eine Schihalle und nationalsozialistischen Propagandaveranstaltungen bis zum heutigen modernen Güterumschlagplatz mit Containerterminal. Zudem wurden in einem Videostudio Interviews mit auf dem Areal tätigen Expert_innen aufgenommen und ausgestellt.

Johanna & Helmut Kandl

Die Künstler_innen malen im Zentrum der riesigen Anlage das internationale Zeichen der Genfer Konvention zum Schutz für Kulturgut auf den Straßenbelag auf, in einer Größe, dass es von Flugzeugen erkenntlich ist, und in einer Technik, die das Zeichen schon Jahrzehnte alt und dementsprechend abgenutzt erscheinen lässt, um auf das vielfältige Kulturerbe hinzuweisen, das in diesem Areal eingeschrieben ist.

 
 
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Gabriele Sturm: Nwbhf hpfmbh „nordwestbahnhof handelsplattform mit beschränkter haftung“

Handel = Kultur.
Das System des Handels hat Gabriele Sturm von verschiedensten Perspektiven aus fokussiert: Arbeitsbedingungen, Logistik, Konsumverhalten mit Intervention für lokale Netzwerke, Handelsketten: so begleitete sie 2006/7 20 Tonnen Tomaten über 3000 km im LKW von der Südtürkei bis zu ihrem Distributionsort in Wien Inzersdorf, dokumentierte diese Parallelwelt mittels Foto, Video und Echtzeit-Performance.

Aufbauend auf diesen Recherchen und Erfahrungen wird Gabriele Sturm diesmal selbst zu einem Glied der Handelskette und wechselt von der Beobachterposition in die Akteurs-Rolle, um den Prozess „Handel = Kultur“ transparent zu machen. Als gewerblich registrierte Handels-Unternehmerin gründete sie die Handelsplattform Nordwestbahnhof und kooperiert mit dort lokalisierten Betrieben. Waren, welche am Güterbahnhof Nordwest angeliefert werden, werden von ihr verhandelt, behandelt und gehandelt. Güter sind Teil des Lebens und so zahlreich im Umlauf wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Diese Güter werden im Online Shop sichtbar und vor Ort in Überseekisten gelagert. Allgemeiner Handel wie Kunstmarkt sind zwei unterschiedliche Kontexte, in welchen diese Warenobjekte changieren können.

handelsplattform.gabrielesturm.net

 
 
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Zarah Pfeifer: Good Street!

LKWs in Verruf: Seit Lkws nicht mehr nur begehrte Güter über den Kontinent führen, sondern auch als Waffen benützt werden, haben sie eine neue Aufmerksamkeit. Zara Pfeifer fotografiert einerseits anonyme Lkws, die reklamelos wie Zensur-Balken im Bild die Sicht versperren und ihre Ladung hinter den monochrom Planen verborgen halten, andererseits – vom Terminal Nordwestbahnhof ausgehend – den Lkw als persönliches Reich, mit einem oft kostspielig ausgestatteten Führerhaus, um den Gewohnheiten der Langstreckenfahrer zu genügen. Auf einer Tour von Prag nach London hatte die Fotografin Gelegenheit, den Alltag der Fahrer aus nächster Nähe kennenzulernen, endlose Fahrten und Pausen, Logistikareale und Raststätten. (Ruth Horak)
Diese Fotos werden in großformatigen Wandtapeten auf den Fassaden der Lagerhallen affichiert und in den Alltag am Logistik-Knoten zurückgespiegelt.

Ina Weber: Tischkicker / Frauenteam

Einen kurzweiligen Zeitvertreib bietet den Benutzern und Besuchern des Logistik-Areals die Außenskulptur von Ina Weber. In einer Situation des Wartens, zwischen Fuhren, vor dem Ausladen, in der Pause kann der Tischkicker seinen Benutzern Bewegung verschaffen, helfen, einen Konflikt auf sportliche Weise auszutragen, oder einfach Spass machen.
Es ist ein freies Angebot: Wenn die Bälle im Kicker verschwunden sein sollten, lässt sich günstiger Ersatz im aufgehängten Automaten ziehen. Das Einzige, was der Benutzer finden muss, ist einen (oder mehrere) Mitspieler. Kickern ist kommunikativ und eine gemeinschaftliche Aktivität.
Der installierte Tischkicker unterscheidet sich aber in einem Aspekt von den üblichen Modellen: Die Spielfiguren sind nicht abstrahierte männliche Fußballer, sondern zwei Frauenteams mit verschiedenen Konfektionsgrößen, Haar- und Hautfarben. Die vorherrschend männliche Welt des Logistikareals wird spielerisch nachkorrigiert.
Die Arbeit hat an diesem Ort der Transformation auch einen melancholischen Aspekt: denn aufgrund der Veränderung der Arbeitsverhältnisse gibt es kaum mehr Bahn- oder Lagerarbeiter vor Ort und LKW-Fahrer haben kaum mehr Pausen, um das Spiel zu genießen.

Katrin Hornek und Johanna Tinzl: Dass die Chain ihren Core Supply verliert, war der Cloud als erstes klar

Sound- und skulpturale Intervention,
3D ABS-Kunststoff-Druck, Ladungssicherungsnetz, Hörstück, 13 min.

Das Kreuzbein war gerade auf dem Weg zur grünen Mitte Wien Nordwest. Es gab keine konkrete Bestellung und doch demand für seine Materialisierung. Es sollte ins schwebende Lager in die Region gestellt werden. Aber: Totalausfall. Es versucht über multimodale Vernetzung mit seiner Supply Chain Kontakt aufzunehmen. Vergeblich.

Es ist 2039. Das World Wide Web gibt es seit 50 Jahren und die Steuerungsarchitekturen laufen eigentlich stabil. Doch bei den diesjährigen Leap Millisecond Einfügungen in die koordinierte Weltzeit ist etwas schief gelaufen. Random fällt daher ein nicht fertig gedrucktes Objekt aus der Cloud und landet entgeistert im Jahr 2017 im Areal. Zustandsmeldung: error print/navigation lost/regular cargo/rack good. Der Monolog beginnt.

 
 
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Martin Kaltwasser: Oasen 2017

Die Oasen auf dem Logistikareal des ehemaligen Wiener Nordwestgüterbahnhofs sind grüne Nischen, scheinbar vergessene und verwahrloste Restflächen, in denen sich Spontanvegetation ausbreitet, stille Widerstandsnester inmitten einer reinen Businesswelt. In der total monetär dominierten Warenlogistik-Homogenität werden diese Restflächen bis auf wenige Ausnahmen nur marginal bis gar nicht wahrgenommen und sind teilweise gnadenlos zugemüllt. Drei dieser Flächen hat Martin Kaltwasser acht Tage lang bearbeitet, vom Müll befreit und mit gezielten kleinen Einbauten, vor Ort konstruiert aus Restmaterialien des Logistikareals, ergänzt.

1. Gleisoase
Das stillgelegte Güterbahngleis zwischen dem Gelände des Lebensmitteldiscounters Hofer und der Ladestraße 1 hat der Künstler vier Tage lang von teilweise meterdicken Müllschichten befreit.
Nach dem Motto One Man’s Trashbin is another Man’s Paradise Garden zeigt sich nun zwischen und neben den freigelegten Gleisen eine sensible, eigentümliche Vegetationswelt, ein romantischer Wildgarten, der entweder in extremem Gegensatz zum Discounterkonsumabfalltsunami und zur LKW-Logistik-Doktrin steht, oder aber die dortigen Akteure in ihrem Menschsein subtil bereichert.

2. Omas Oase
In der Ladestraße 3 hat die Mutter der Firmeninhaberin einer dort angesiedelten Kücheneinrichtungsvertriebsfirma zwischen den Backsteinwänden zweier Lagergebäude ihren eigenen kleinen Garten angelegt. Es ist eine äußerst liebevoll gestaltete grüne Oase in einem Bereich des Logistikareals, in dem es auch insgesamt etwas weniger hektisch zugeht. Die betagte Gärtnerin konnte sich um ihren Garten aus Krankheitsgründen in den letzten Jahren kaum noch kümmern, so dass er Zeichen des Verfalls aufwies. In Absprache mit ihrer Tochter rekonstruierte Martin Kaltwasser den Garten akribisch und fügte einige zusätzliche, aus Restmaterialien der nahen Umgebung konstruierte bauliche Elemente hinzu.

3. Vergessener Pool
In der südöstlichen Ecke des Gesamtareals, neben dem aufgegebenen Containerbahnhofbereich, befindet sich in ein 5,50m x 12,00m x 0,80m großes, leeres Betonbecken unklarer Bestimmung mit abbröckelnder beiger Farbbeschichtung. Das Hinzufügen von einschlägiger Bodenmarkierung, zwei gebastelten Startblöcken und einer Badeleiter aus gefundenem Holzplattenmaterial und Einwegpaletten verwandeln das Becken in einen Ort mit gleichzeitig eindeutiger wie unklarer Oasenvergangenheit.

Michael Hieslmair & Michael Zinganel

Ab 15. September 2017 folgte ein großformatiges dreidimensionales Wegenetz-Diagramm, das in abstrahierter Form die Transportrouten von hier gehandelten Gütern nachzeichnet, sowohl von eingehenden Gütern wie z.B. Fischen aus der Nordsee (1899), oder die verpackte Ausstellung “Der ewige Jude” (1938), als auch von hier ausgehenden Gütern, wie zuletzt im September 2017 die zwei großen Kräne des Containerterminals.

 

Zu den Kurz-Biographien der Künstler_innen