Stadt in vernetzten

Netzwerken

Betrachten wir den analogen Stoffwechsel einer Stadt und die Mobilitätsströme an Gütern und Personen, die sie durchziehen, dann lässt sich „Stadt“ NICHT auf das Territorium innerhalb ihrer politischen Grenzen reduzieren: Städte wurden in der Regel als Zentren des Warenaustausches begründet. Die Waren-Umschlagplätze wurden an deren Ränder verlagert und wanderten sukzessive mit jedem Wachstumsschub der Stadt weiter hinaus an deren Peripherien – und weil die Transportanteile der LKWs jene der Bahn übertrafen,  bis zu den Knoten bedeutender Autobahnverbindungen. Die historischen Umschlagplätze verschwanden oder wurden für andere Zwecke um genutzt. Nur wenige Ausnahmen sind bis heute in Betrieb. Diese Verteilerzentren dürfen jedoch nicht als ein singulärer Ort oder zumindest nicht auf eine einzelne Anlage reduziert wahrgenommen werden, sondern jeder einzelne Ort ist ein Netzwerk, das mit anderen in Beziehung steht, die in Summe ein viel weiträumigeres Netzwerk aus Verkehrswegen, Knoten, Fahrzeugen und Akteur*innen bilden, ohne die eine einzelne „Stadt“ nicht (mehr) existieren kann.

Case Study Graz

Wie in anderen wachsenden Städten nimmt auch in Graz der Bedarf nach Gütern ständig zu – nicht nur, weil immer mehr Menschen nach Graz zuwandern, sondern auch weil die Menschen immer mehr Güter konsumieren, die weit über den alltäglichen Gebrauch hinausreichen, und auch weil sie erwarten immer mehr Güter in die eigenen vier Wände zugestellt zu bekommen. Zum anderen weist Graz immer noch große Produktionsbetriebe auf die „just in time“ die Anlieferung von Bauteilen erwarten. Diese Güter werden nicht notwendigerweise in Graz selbst produziert, sondern aus anderen Regionen, Nationen und mitunter aus anderen Kontinenten angeliefert. Und auch viele der Arbeitskräfte in der Produktion und die bescheiden entlohnten Dienstleister*innen in den legalen und grauen Gewerben,  die diese so wohlhabend erscheinende Stadt am Funktionieren halten, pendeln in unterschiedlichen Rhythmen aus unterschiedlich weiten Entfernungen in die Stadt ein und aus der Stadt aus. Umgekehrt müssen die hier gefertigten Produkte ausgeliefert, ebenso aber die enorm anwachsenden Abfälle des überbordenden Konsums entsorgt und/oder ihrer Wiederverwertung zugeführt werden.
Transport und Entsorgung benötigen technische und soziale Infrastrukturen wie regionale und transnationale Straßenverkehrskorridore, Schienennetze, Flugverbindungen, Transport-Fahrzeuge aller Art, Güterumschlagplätze, aber auch internationale Regelwerke, die den transnationalen Güteraustausch regeln. Und nicht zu vergessen: Trotz Logistik 4.0 benötigen sie auch Menschen, die diesen Warenaustausch organisieren, den Verkehr regeln, die Fahrzeuge steuern und die Waren aus-und einladen.

Projektziel

Dieses Projekt untersucht die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der logistischen Netzwerke zur Ver- und Entsorgung der Stadt Graz. Der Fokus liegt dabei nicht nur in der  Entwicklung automatisierbarer, smarter 4.0 Lösungen für Lagerhaltung und Warenumschlag, selbstfahrender LKWs, oder der klimaneutralen Optimierung der „Last Mile“ in der Warenzustellung. Der Fokus liegt vielmehr im bislang vernachlässigten Faktum, dass die Netzwerke und Fahrzeuge und die vermeintlichen Nicht-Orte an den Peripherien und ihre Satelliten in den Zentren auch sinnstiftende Lebenswelten für viele soziale Akteur*innen darstellen, die unterschiedliche soziale Milieus umfassen, von „high skilled Expats“ bis „low skilled Migrants“. Reale Entwicklungen, die mit individuellen Schicksalen und Firmengeschichten verknüpft sind, werden mit partizipativen Methoden recherchiert, projektiv in die Zukunft fortgeschrieben und in integrativen künstlerischen Formaten an sozialen Knotenpunkten im Untersuchungsfeld zurückgespielt.