Knoten der Ver- und Entsorgung
in und um Graz
Die Standorte der für die Ver- und Entsorgung der Stadt Graz bedeutenden Güterumschlagplätze und -verteilerzentren finden sich heute in unterschiedlichen Logistik-Clustern. Diese haben sich parallel zum zunehmenden Wachstum der Stadt sukzessive aus dem Stadtzentrum an die Ränder der Stadt und schließlich über ihre Grenzen hinaus verlagert, wo der Anschluss an leistungsfähige Verkehrskorridore unmittelbarer ist und größere Grundstücksreserven zur Expansion zu Verfügung stehen. Und tatsächlich wuchsen Jahr für Jahr die Dimensionen der Bodenversiegelung und der errichteten Raumvolumina exponentiell an.
Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Orte grundsätzlich völlig geschichtslos sind. Am Bespiel der hier dargestellten Auswahl zeigt sich eine sukzessive Verlagerung der Cluster in Richtung Süden, wobei alle aktuell bedeutenden Knoten (bis auf den letzten multimodalen Verkehrsknoten) in unmittelbarer Nähe zu bereits bestehenden Verteilerzentren entstanden sind.
Unten finden Sie jeweils ein Luftbild und eine kurze Geschichte zur Entwicklung einer Auswahl an Clustern, die wie vereinzelte “Archipele” enlang der alten Bahntrassen, Strassen und neuen Autobahnknoten die zeitgenössiche “post-urbane” Landschaft nachhaltig definieren.
Um Informationen zu den Eckdaten dieser Unternehmen, dem Erbauungsjahr, dem Flächenverbrauch, der Gebäudegröße, dem Umsatz und der Mitarbeiteranzahl zu erfahren, klicken sie bitte auf die Marker in der Landkarte oben.
Die in der Karte dargestellten Cluster an Verteilerzentren beginnen am Grazer Hauptbahnhof, der zur Zeit seiner Errichtung noch weit ausserhalb des Stadtzentrums gelegen war. Heute befindet sich hier nur noch das Briefzentrum der POST AG. Im Süden des Schlachthofs und Grossmarkts haben sich entlang einer Bahntrasse weitere große Betriebe angesiedelt: die für den Stoffwechsel der Stadt bedeutensten sind Zentrale der Müll-Entsorgung der Holding Graz und der Müll-Trennung von Saubermacher.
Nahe der Brauerei Puntigam hat sich weiterer ein Cluster neben einem Bahnanschluss und Autobahnzubringer entwickelt, dessen wichtigster Betrieb in unserem Kontext das SPAR Logistik-Zentrum darstellt. In Kalsdorf hat sich zwischen Bahnanschluss und Autobahnabfahrt ein riesiger Cluster gebildet, in dem sich u.a. das neue Paketzentrum der Post angesiedelt hat. Noch weiter im Süden, wo sich Autobahn und Bahntrasse ganz nahe kommen, enstand das Cargo Center Werndorf, ein multimodaler Container-Terminal – der einzige der Stadtorte ohne eine spezifische lokale Geschichte.
Der Grazer Hauptbahnhof diente nicht nur dem Personenverkehr sondern vielmehr noch dem Güterverkehr. Mit der Eröffnung der Bahnlinie von Graz 1844 nach Mürzzuschlag und insbesondere mit Fertigstellung der Bahnlinie nach Triest 1857 gewinnt Graz einen leistungsfähigen Anschluss sowohl an die Primärindustrieregion der Obersteiermark als auch an den Adria-Hafen von Triest. Große Lager und Produktionhallen der Industrie, Gewerbetriebe und Speditionen begannen sich sich in unmittebarer Nähe des Bahnhofs anzulagern. Platz dafür gab es noch genug. Denn die Annenstrasse wurde ja überhaupt erst in Folge der Baus des Bahnhofs entwickelt.
Mittlerweile wurden fast alle dieser Betriebe stillgelegt, die Bauwerke abgetragen oder für andere Zwecken umgebaut. 2003 mit der Eröffnung des Cargo Center Süd wurden die letzen Hallen geschliffen. Als einziger systemrelevanter Logistikbetrieb ist am Bahnhof – neben den ÖBB – das Briefzentrum der Post erhalten geblieben.
Der Standort des Briefzentrums am Bahnhof ist historisch begründet: Post wurde bekanntlich lange mit der Bahn von Bahnhof zu Bahnhof transportiert und während der Fahrt in eigenen Postwägen nach Postleitzahlen sortiert. Obwohl Briefe und Pakete längst mit LKWs transportiert wurden, wurde das Briefzentrum nicht an die Peripherie verlagert, sondern das Bahnhofspostamt in einer sachlichen zweigeschossigen Nachkriegsarchitektur ab 2000 in ein neues Logistikzentrum umgestaltet. Nach der Auslagerung der Paketsortierung nach Kalsdorf wurde die Anlage 2005 erneut modernisiert.
Heute bildet das Briefzentrum einen von 6 Netzwerkknoten zur Briefverteilung in Österreich, an dem 250 Mitarbeiter*innen arbeiten – großteils Teilzeit von 18 Uhr bis frühmorgens. Auf insg. 33.000 m2 Betriebsfläche werden mit 3 modernen Verteilmaschinen jeweils bis 50.000 Briefe pro Stunde sortiert und jeden Tag ungefähr zwei Millionen Postsendungen abgewickelt.
Der Mühlgang, ein durch die Mur und mehrere kleinere Zuflüsse gespeister Kanal, stellt eine historisch bedeutende Infrastruktureinrichtung für die Entwicklung der Stadt Graz dar. An ihm siedelten sich Mühlen und andere Gewerbebetriebe an, die die Wasserkraft als Antrieb der Maschinen oder zur Energiegewinnung nutzten.
Südlich des heutigen Karlauer Gürtels entwicklte sich im späten 19. Jahrhundert zwischen Mühlgang und Mur ein spezieller auf Lebenmittel spezialisierter Cluster des Güterumschlages: Ab 1876 entstand hier der städtische Schlachthof mit Viehmarkt, Ställen, Schlachthallen und Kühlhäusern. Diese Anlage fasste den alten Viehmarkt und die vielen privaten Schlachtbänke, die sich zuvor im so genannten Kälbernen Viertel (in der heutigen Neutorgasse) angesiedelt waren, in einem einzigen kommunalen Unternehmen zusammen.
Auch hier führte der Ausbau der Eisenbahnverbindungen zu einem bedeutenden Modernisierungsschub: Ein Schleppgleis der Steirischen Ost-Bahn (ursprünglich jedoch: der ungarischen Westbahn) wurde zuerst entlang der Mur und weiter südlich entlang der Puchstraße über den ersten Standort der Steyr Daimler Puch Werke weiter bis zum ehemaligen Gaswerk der Stadtwerke geführt (in etwa zum heutigen Standort von XAL und der Müllverbrennungsanlage der FCC Austria in der Auer-Welsbach-Gasse).
In der Sturzgasse, wo früher der Abfall der Stadt zur Entsorgung einfach in die Mur “gestürzt” wurde, befindet sich heute der Wirtschaftshof der Stadt Graz und die Zentrale der Holding Graz – Abfallwirtschaft. Südlich des ehemaligen Schlachthofs und Großmarkts betreibt die Firma Saubermacher eine moderne Mülltrennungsanlage.
Nur knapp 3 km weiter südlich bildete sich um die Brauerei Puntigam ein weiterer bedeutender Custer des Güterumschlages: An der ehemaligen „Kommerzialstraße“, der heutigen Triesterstraße, die wie der Name besagt, Graz mit der Hafenstadt Triest verband, bestand seit dem 15. Jahrhundert eine populäre Fuhrmannsherberge: ein Herrenhaus mit kleiner Brauerei und angeschlossenem Gasthaus, das zunehmend auch als Ausflugsziel beliebt wurde. Ab 1800 setzte der sukzessive Ausbau zu einer industriellen Groß-Brauerei ein, die 1893 durch die direkte Anbindung an die neue Südbahntrasse Wien-Graz-Triest einen enormen Expansionsschub erfuhr und ihre Produkte in unzählige Destinationen in der gesamten Monarchie ausliefern konnte.
8 km weiter südlich liegt an derselben historischen “Kommerzialstrasse” und an der Südbahntrasse nach Triest die kleine Gemeinde Kalsdorf. In den 1890er Jahren siedelte sich unmittelbar neben dem Bahnhof die Firma Holz Mayer an und am Mühlgang am Standort einer Mühle das Metallverarbeitungs-Unternehmen Lapp-Finze, das während des zweiten Weltkrieges Rüstungsgüter produzierte. In den 1960er Jahren wurde neben der Bahn der riesige Getreidespeicher errichtet, der ein von weitem sichtbares Landmark darstellt.
Mit dem Anschluss an die Pyhrnautobahn und dem Ausbau des Flughafens, der zu kleinen Teilen auf dem Gemeindegebiet von Kalsdorf liegt, wuchs zwischen dem Bahnhof, dem Verteilerknoten zum Flughafen und der Autobahnabfahrt eine der größten Logistikzonen der Steiermark, die Kalsdorf zu einer der nach Kommunalsteuern reichsten Gemeinden des Landes gemacht hat.
An einem Schleppgleis neben dem Bahnhof betreibt das steirische Logistik-Unternehmen Frikus seit 2003 eine KFZ-Autoverladestelle, insbesondere für Neuwagen, die bei Magna in Graz hergestellt werden. 2012 eröffnet das neue Frischwarenlager des REWE Konzerns. Aufgrund der Nähe zum Flughafen haben sich an diesem Cluster die Verteilerzentren von fast allen privaten Paketdienstleistern angesiedelt. 2004 wird hier auch das erste neu errichtete Paketzenturm der Post AG fertggestellt und die Paketsortierung am Haupbahnhof eingestellt. Aufgrund des enormen Wachstums in der Paketzustellung wird das Verteilerzentrum bald zu klein. Zudem hat die Post AG 2019 die Zustellung von Paketsendungen der DHL an private Empfänger übernommen. Sie hat auch das Paket-Zentrum der DHL in Werndorf mit 10.000 m2 bebauter Fläche übernommen. Trotzdem wird 2020 ein neues Paketzentrum mit 25.000 m2 (!) bebauter Fläche eröffnet.
Noch einmal 5 km weiter südlich liegt die kleine Gemeinde Wernberg. Die Vorgeschichte als traditioneller Güterumschlagplatz stelt sich hier anders dar als an den Standorten zuvor: Die Industrialisierung setzt in Werndorf erst 1949 ein, als die Turnauer Gruppe eine Fabrik für Isolierstoffwerke errichtet. Bedeutender für die Rolle als Infrastrukturknoten der Gemeinde wird die Errichtung von 3 Kraftenwerken (!) in dessen unmittelbarer Nähe: 1968 wird wird die erste Stufe eines Fernheizkraftwerkes errichtet, das – aufgrund der damals in Bau befindlichen Adria-Wien Pipeline mit einer geplanten Raffinerie in Lannach – für den Betrieb mit Schweröl konzipiert wurde, 1975 folgt die zweite Stufe, die mit bereits Öl und Gas betrieben werden konnte. Auf dem Boden der Nachbargemeinde Mellach ensteht von 1982 bis 1985 ein Flusskraftwerk und 1983 bis 1986 das Gas- und Dampfkraftwerks Mellach, das durch die Verbrennung von Kohle ca. 80 Prozent der Fernwäreme für Graz erzeugt hatte. Bis zur jeweiligen Stilllegung 2014 bzw. 2020 wurden die fossilen Brennstoffe, Schweröl, Gas und Kohle zu 90% mit der Südbahn Bahn über die Abzweigung in Werndorf angeliefert.
2003 enstand weitab des Gemeindezentrums, zwischen Phyrn-Autobahn und Südbahntrasse ein neues riesiges Logistik-Areal: das Cargo Center Graz. Für den Anschluss an das Verkehrsnetz wurde eigens die neue Autobahnabfahrt Wundschuh errichtet, die direkt zur Einfahrt des Geländes führt, und Schleppgeleise von der Südbahnstrecke gelegt, die zu einem Rail to Road Container-Terminal führen. Hier werden von den Steiermärkischen Landesbahnen STLB mit zwei Containerkränen kombinierte Verkehre nach Koper, Triest, Neuss und in die Nordhäfen (Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam und Antwerpen) abgewickelt. Mit der Fertigstellung der Koralmbahn, die südlich von Werndorf an die Südbahn anschliesst, wird sich das Transportvolumen so erhöhen, dass ein zweiter Container-Terminal errichtet werden wird.
Zusätzlich wurden am Grundstück des Cargo Center bisher 320.000m² Hallen- und Büroflächen entwickelt – Erweiterungsflächen stehen im Norden und Süden zu Verfügung. Aber auch ausserhalb des Areals ist mit einer Expansion von Logistikbetrieben zu rechnen. Den Beginn markiert das neue Logistikzentrum von Lidl auf dem Gemeindegebiet von Wundschuh mit 37.000 m2 (!) Lagerfläche.