Stadt- und Logistiklandschaften als sich verändernde Arbeits- und Lebensräume
Sommer | Herbst 2023
Am Beispiel der Abwicklung des Wiener Nordwestbahnhofs, des letzten innerstädtischen Logistik-Knotens, lässt sich konkret die räumliche Verlagerung von benennbaren technischen Infrastruktur-Einrichtungen, Unternehmens-Niederlassungen und Arbeitskräften an die Peripherien der Stadt und weit darüber hinaus nachzeichnen. Diese Verlagerung betrifft alle: Manager*innen, Disponent*innen, LKW-Fahrer*innen und Lagerarbeiter*innen von großen multinationalen Konzernen bis hin zu kleinen (schein-)selbstständigen Sub-Unternehmer*innen – die meisten davon mit Migrationshintergrund, die sich in der Übergangsphase temporär am Nordwestbahnhof eingerichtet hatten.
Das eigens gegründete fiktive Unternehmen CARGO VIENNA bündelt alle Projektaktivitäten, verfügt als Klammer für alle Erscheinungsformen über eine professionelle CI samt Webpage und über eine Flotte an Firmenfahrzeugen, die als mobile „Forschungs- und Dissemination-Vehikel“ eingesetzt werden. Am Firmensitz, dem Wiener Nordwestbahnhof, wird ein stationäres Forschungslabor mit solidem 3-dimensionalen Mini-Hub eingerichtet, welches als Sammelgefäß für am Nordwestbahnhof verbliebene und von uns gesicherte Artefakte und Erzählungen der vergangenen Unternehmenskultur dient. In Anlehnung an das, was Hal Foster (2015) als ‘mimetic exacerbation’ in der Kunst bezeichnet hat, imitieren wir mit unsrer fiktiven Firma in einer (selbst-)ironischen Hyper-Affirmation einen aktuellen Trend der spätkapitalistischen Industriegesellschaft.
Neben der Forschungsaktivitäten und dem Betrieb der Hauptniederlassung produziert CARGO VIENNA eine Serie von mobilisierbaren themenspezifischen Markierungen als „Relikt-Assemblagen“ für den öffentlichen Raum. Diese werden temporär in und um die Unternehmenszentrale sowie dezentral in Logistik-Archipelen am Gemeindegebiet von Wien platziert. Die Markierungen werden im Rahmen von geführten performativen Stadtexkursionen/ Prozessionen aufgesucht. Ausgehend von unserem stationären Forschungslabor fahren wir mit einem Autobus und mobilen ausfaltbaren Displays, begleitet von Expert*innen des Logistik-Alltags und Gastkünstler*innen, den durch die Stilllegung des Wiener Nordwestbahnhofs von hier an die Peripherie der Stadt vertriebenen Unternehmen und Akteur*innen nach.