SERPENTINE
A TOUCH OF HEAVEN

(AND HELL)

Ausstellung in der Außenstelle MMKK Klagenfurt | parallel exhibition at our ‘outpost’ at MMKK Klagenfurt

  1. Juni bis 29. August 2021 | 11 June to 29 August 2021

Parallel zu dem zweijährig angelegten künstlerischen Projekt im öffentlichen touristischen Raum entlang der Großglockner Hochalpenstraße zeigt das MMKK rund um das berühmte Glocknergemälde von Markus Pernhart aus dem Jahr 1860 filigranere Bilder, Skulpturen und Installationen, die der extremen Witterung am Berg nicht standhalten würden – oder die erst parallel zur Arbeit am Berg durch die Inspiration vor Ort und im Museum entstanden sind.

Parallel to the two-year public art project along the Grossglockner High Alpine Road, the MMKK is showing additional pictures and installations around the famous 1860 Glockner painting by Markus Pernhart: more filigree pictures, sculptures, and installations which would not withstand the extreme weather conditions on the mountain – or which were created parallel to the work on the mountain through the inspiration on site and in the museum.

Markus Pernhart (1824–1871) Großglockner, um 1860, Öl auf Leinwand, 58 x 74 cm, Museum Moderner Kunst Kärnten
Das Museum moderner Kunst schien deshalb als “Aussenstelle” prädestiniert, weil es in der Regel im letzten Raum seiner Sammlungsausstellung (in der unsere Ausstellung gastierte) das Gemälde des Kärntner Malers Markus Pernhart zeigt, der von Kärnten aus zu einem der bekanntesten Landschaftsmaler seiner Zeit avancierte. In seinem idyllischen und pathetischen Stil repräsentiert dieses Bild gewissermaßen den “Canaletto Blick” der österreichischen Alpen und markiert den beginnenden Bergtourismus, zu dessen Sehnsuchtsproduktion die Landschaftsmalerei, insbesondere Pernhart, auch maßgeblich beigetragen hat. Dieses Bild verblieb (als einziges aus der Sammlung) an seinem Original-Standort, wurde jedoch durch eine zweite fast identische Version ergänzt, die aus dem (im Umbau befindlichen) Landesmuseum Kärnten ausgeliehen wurde.

The Museum of Modern Art seemed predestined as an “outpost” because it usually shows in the last room of its collection exhibition the famous painting by the Carinthian painter Markus Pernhart, who advanced from Carinthia to become one of the most famous landscape painters of the Monarchy. In its idyllic and pathetic style, this painting represents to a certain extent the “Canaletto view” of the Austrian Alps and marks the beginning of mountain tourism, to whose production of longing landscape painting, especially Pernhart’s, also contributed significantly. This painting remained in its original location, but was supplemented by a second, almost identical version that was borrowed from the collection of the Landesmuseum Kärnten (which is currently being renovated).

Robert Haas, Großglockner Hochalpenstraße, 1937/1983, Reproduktion, Fotomontage, 6,9 x 22,2 cm, 1937/1980, Wien Museum, Inv. Nr. 302694/1

Als Verweis auf die politische Bedeutung der Großglockner Hochalpenstraße für das Nation Building der ersten Republik und des austro-faschistischen Ständestaates diente diese kleine Foto-Collage von Wolfgang Haas aus dem Jahr 1937, in der er die attraktivsten Ausblicke auf die und von der Strasse auf nur einem einzigen Bild vereinte. Diese Collage diente als Vorlage für ein 30,5 x 8,5 Meter großes raumfüllendes Wanddisplay, das als prominenter Blickfang im österreichischen Pavillon der Weltausstellung Paris 1937 gezeigt wurde. Sie hätte 1939 auch auf der Weltausstellung in New York gezeigt werden sollen, eine Präsenz war nach dem Anschluß Österreichs ans Nazi-Deutschland von den neuen Machthabern jedoch nicht mehr erwünscht. Der Wiener Fotograf Wolfgang Haas hatte sowohl die ersten Jahre der Salzburger Festspiele als auch die der Großglockner Hochalpenstrasse mit seiner Kamera dokumentiert, bevor er aufgrund seiner jüdischen Abstammung in die USA emmigrieren musste.

As a reference to the political significance of the Grossglockner High Alpine Road for the nation building of the First Republic and the Austro-fascist corporative state, this small photo collage by Wolfgang Haas from 1937 served to unite the most attractive views of and from the road in just one picture. At the time, this collage served as the model for a 30.5 x 8.5 metre room-filling wall display that was shown as a prominent eye-catcher in the Austrian pavilion at the 1937 World’s Fair in Paris. The collage was also to be shown at the 1939 World’s Fair in New York, but its presence was no longer desired by the new rulers after Austria’s annexation by Nazi Germany. The Viennese photographer Wolfgang Haas had documented both the early years of the Salzburg Festival and those of the Grossglockner High Alpine Road with his camera before he was forced to emigrate to the USA because of his Jewish ancestry.

RAUM / ROOM 1

Ralo Mayer, Die Erlkönige und der Pasterzentest (Großglockner Hochalpenstraße Naturkulturensage), 2021; 3 Drucke, Seidenpapier, je 220 x 130 cm, Soundcollage, Druckkammerlautsprecher, Verstärker, MP3 Player
Anna Meyer, Klitglacier, 2021, Gemälde, Öl auf Aluminium, 80 x 140cm
Anna Meyer, Der Weiße Rest: Fempol, Ich kann beim schlechtesten Willen, Schnee das Blut der Geister, Planettoo, 2020; 4 Modelle, Mischtechnik, kleine Bilder, Courtesy Galerie Krobath
Jakob Canciani (1820–1891), Großglockner mit Pasterze, 1860–1870, Öl auf Leinwand, 146 x 182,5 cm; Landesmuseum Kärtnen, Inv. Nr. K 146
© Alle Foto: Wolfgang Thaler 2021

In seiner Bild-, Text- und Soundcollage „Die Erlkönige und der Pasterzen-Test“ kombiniert Ralo Mayer uralte Mythen mit modernem Maschinenkult. Er bezieht sich zum einen auf die Pasterzen-Sage, wie sie im Tunnel des Gamsgrubenweges auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe den Bergwanderer*innen vorgestellt wird. In dieser Sage wird die Entstehung des riesigen Gletschers als Strafe Gottes für das respektlose Fehlverhalten der Bergbewohner*innen erklärt. Zum anderen bezieht er sich auf die Straße als Prototyp der Naturunterwerfung und Teststrecke für Prototypen neuer Automodelle, die als sogenannte Erlkönige einen eigenartigen grafischen Tarnanzug tragen. Grafische Elemente der Straße, auf filigranem, wehenden Seidenpapier gedruckt, werden durch Soundsamples ergänzt, die von einem alten Druckkammer-Lautsprecher abgespielt werden, wie er für Einsatzfahrzeuge, politische Demonstrationen und Sportgroßveranstaltungen typisch war.

Anna Meyer bezieht sich in ihren Gemälden auf eine feministische Kritik der männlich dominierten Landschaftsmalerei, die zuerst die touristische Erschließung der Bergwelt und in der Folge die Unterwerfung der Natur durch männliche Ingenieure nach sich zog. Beides stellt sich in der Großglockner Hochalpenstraße und der Tragik der Gletscherschmelze paradigmatisch dar. In ihren Gemälden korrespondiert sie mit historischen Landschaftsgemälden von Markus Pernhart und Jakob Canciani, indem sie exakt dieselben Blickwinkel einnimmt, der Idylle jedoch eine Dystopie entgegenstellt. In den Tischarbeiten erweitert sie den malerischen Raum in begehbare dreidimensionale Objekt- und Bildlandschaften, die, aus bemalten Müll- und Fundgegenständen gemacht, näher an der harten Realität gebaut sind. Sie tragen dazu bei, die Landschaftsmalerei humorvoll-kritisch in die Gegenwart zu wenden. Es entstehen wilde, chaotische Bilder, die außer Rand und Band ins Installative treten und die angesprochenen Themen stärker ineinander verschränken.

In his image, text and sound collage “Die Erlkönige und der Pasterzen-Test”, Ralo Mayer combines ancient myths and modern machinery cult. He refers, on the one hand, to the Pasterze legend as presented to mountain hikers in the tunnel of Gamsgrubenweg on Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. This legend explains the formation of the giant glacier as God’s punishment for the disrespectful misbehaviour of the mountain people. And on the other, he refers to the road as prototype of the subjugation of nature and test track for new car models, so-called Erlkings (development mules), which wear strange graphic camouflage. Graphic elements of the road, printed on filigree, blowing silk paper, are complemented by sound samples played through one of those old horn loudspeaker that used to be typical for emergency vehicles, political demonstrations and big sports events.

Anna Meyer’s paintings relate to a feminist criticism of male-dominated landscape painting that first brought the opening up of the mountain world to tourism and, subsequently, the subjugation of nature by the hands of male engineers. Grossglockner High Alpine Road and the tragedy of glacial melting present a paradigm of both. In her paintings, she communicates with historical landscape paintings by Markus Pernhart and Jakob Canciani by taking the exact same viewpoint but counterposing the idyll with a dystopia. In her table works, she expands the painterly space to three-dimensional object and image walk-in landscapes which, made of painted garbage and finds, are constructed closer to the harsh reality. In a humorous and critical manner, they help to shift landscape painting into the present. The results are unruly, chaotic pictures that go wild and tread into the field of installation while creating a closer intertwining of the topics mentioned.

RAUM / ROOM 2

Thomas Hörl & Peter Kozek mit Victor Jaschke, Lichthöhe 2021; Film, Farbe, Ton, ca. 32 Min., verschiedene Fotofilmtechniken
Thomas Hörl & Peter Kozek, Autozeichnung, 2020; Skizzenbuch, Graphit, Neonpapier in Insektenkasten, 28 x 20 cm
Krinolinen, 2020; Metall-, Klebe-, Stoffbänder, Schaumstoff, Maße variabel
O. T. (Messstäbe), 2020; Bambus, Äste, Lack, Klebebänder, verschiedene Größen

Für den Film „Lichthöhe“ nutzten Thomas Hörl und Peter Kozek das Privileg, mit ihrem Team mehrere Nächte in einer Hütte auf 2400 Meter Seehöhe zu verbringen, um diese tagsüber von Tourist*innen überlaufene Bergwelt für sich allein zu haben und die danach umso bezaubernde Landschaft mit performativen und filmischen Mitteln zu ‚vermessen’: Sie schreiben sich in historische und aktuelle Rituale ein, entnehmen Skripts, Gestalten und Ausstattung der Geschichte des historischen Säumerpfades ebenso wie aus der Gegenwart der Straßenpflege und Schneeräumung und wenden sie in eine fiktionale Idealwelt. Zwischen inszenierter Natur und Ingenieurskunst entsteht so ein Raum der ästhetischen Erfahrung, in dem Vertrautes fremd und Fremdes vertraut wird. Im Museum wird der Film als Teil einer Rauminstallation gezeigt, in der grafische Skripts, künstlerisch verfremdete Objekte der Filmausstattung wie Pflastersteine oder Messstäbe und Krinolinen, raumbildende Kostüme, ein Eigenleben erhalten.

For their film “Lichthöhe”, Thomas Hörl and Peter Kozek made use of the privilege of spending several nights with their team in a mountain hut at 2400m altitude in order to have this mountain world, overcrowded with tourists by day, all to themselves, and to “survey” the then all the more enchanting landscape with performative and cinematic means: they inscribe themselves into historical and current rituals, draw scripts, characters and set design from the history of the historical mule trail as well as from present-day road maintenance and snow clearing and shift it all into a fictional ideal world. Between staged nature and engineering art, this results in a space of aesthetic experience where the familiar becomes alien and the alien becomes familiar. The film is shown in the museum as part of a spatial installation in which graphical scripts, artistically alienated set design objects like paving stones or measuring rods, and crinolines, space-forming costumes, are given a life of their own.

RAUM / ROOM 3

Hannes Zebedin, Rot, 2021; Installation, Holz, Modelle, Richtschnur, Fotocollagen, 30 x 40 cm
Anna Meyer, Heligletscher, 2021; Gemälde, Öl auf Aluminium, 80 x 140 cm, Courtesy Galerie Krobath
Hubert Lobnig, To be seen, 2021; Fine Art Prints auf Bütten, diverse Größen, Vitrine, 158 x 73 cm

Der Künstler Hannes Zebedin interessiert sich für die fließende topografische Grenze zwischen der (menschlich) organisierten und landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft und der unkontrollierbaren Naturlandschaft in den hochalpinen Zonen entlang der Großglockner Hochalpenstraße. Die Lawinenverbauungen stellen für ihn massive Markierungen dieser Grenzen dar. Er zieht eine horizontale rote Grenzlinie durch den Ausstellungsraum des Museums und baut einen Lawinenrechen als Rauminstallation und Display für Modelle der zwei großformatigen Skulpturen, die er unter dem Titel „Inseln der Seligen“ am Berg errichtet. Mit dieser Arbeit will er die doppeldeutige Funktion des Ein- und Ausschlusses durch Grenzen – auch auf den politischen und ökonomischen Kontext ausgeweitet – thematisieren. Zusätzlich zeigt er Fotocollagen der Berglandschaft mit rot eingefärbten Schafen, die entlang dieser Höhenzone weiden und während ihrer Wanderungen diese Grenzlinien dynamisch umspielen.

The artist Hannes Zebedin’s interest is in the fluid topographical boundary between the (humanly) organised and agriculturally used cultivated landscape and the uncontrollable natural landscape in high alpine zones along the Grossglockner High Alpine Road. To him, avalanche barriers represent massive markers of these boundaries. He is drawing a horizontal red line through the exhibition room of the museum and building an avalanche snow bridge to serve as spatial installation and display for models of the two large-format sculptures that he is putting up on the mountain, under the title “Insel der Seligen”. He intends his work to raise the subject of the ambivalent function of in- and exclusion by borders – extended also to the political and economic context. Furthermore, he presents photo collages of the alpine landscape, featuring sheep painted in red which graze along this altitudinal range and, while wandering, dynamically skirt those boundary lines.

RAUM / ROOM 4

Hubert Lobnig, Phantom Rides Glockner Hochalpenstraße, 2021; Videoinstallation, Projektor, 2 Spiegel, 60 x 60/46 cm
Iris und Widmar Andraschek, Großglocknerfahrt, ca. 1966/2021; Super 8 Film, 7:32 Min., digitalisiert
Iris Andraschek, Golden Times, 2020; Farbdrucke glänzend auf Aluminium, 40 x 30 cm, Auflage 7 + 2 E.A.
Markus Pernhart (1824–1871), Großglockner von der Adlersruhe, um 1860; Öl auf Leinwand, 72 x 87 cm, Landesmuseum Kärnten, Inv. Nr. K 17

2020 haben sich Iris Andraschek und Hubert Lobnig mit zwei geparkten PKWs als künstlerische Interventionen in die hochalpine Erlebniswelt eingeschrieben. In einer hier erstmals gezeigten Arbeit stellt Hubert Lobnig eine visuelle Diskursanalyse vor. Er versammelt darin die von Besucher*innen zu den Arbeiten erstellten und online zirkulierenden Bilder und Botschaften, um die Vielfalt der sich in den sozialen Medien verselbständigenden Kommentare nachzuzeichnen. In einer weiteren Installation zeigt Lobnig durch die Seiten- und Frontscheibe gefilmte Videoaufnahmen verschiedener Fahrten auf der Großglockner Hochalpenstraße, die er so montiert, dass sie sich zuerst zu einem Kontinuum fügen, das jedoch, durch die Projektion über eine Spiegelecke wiederum zerlegt, in unterschiedliche Richtungen des Raumes zurückgeworfen wird – und eine Desorientierung bei den Betrachtenden nach sich zieht.
Iris Andraschek präsentiert einen neu digitalisierten Super 8 Film ihres Vaters aus der Mitte der 1960er Jahre, der sich mit einer Gruppe an die Besteigung des Großglockners wagt und sich durch das gleichzeitige Filmen und Passieren der Glocknerscharte, einer extrem schmalen Stelle, selbst in Gefahr bringt. Hier deckt sich der Blick seiner Kamera mit dem des Malers Markus Pernhart in seinem berühmten Glocknergemälde von 1860, das die Anfänge des Bergtourismus markiert und hier in diesem Museum neben der Projektion hängt.

In 2020 Iris Andraschek and Hubert Lobnig took two parked cars as artistic interventions to inscribe themselves into the high alpine world of experience. In a work first shown here, Hubert Lobnig presents a visual discourse analysis. In it he gathers the visitor-made pictures and messages circulating online, in order to portray the variety of comments that take on a life of their own in social media. In another installation, Lobnig presents video recordings of various rides on Grossglockner High Alpine Road filmed through the side window and windshield, which he edits so that at first, they combine into a continuum, which, however, taken apart again by its projection over a mirror corner, is reflected in different directions of the room – causing disorientation in the beholders.
Iris Andraschek presents a newly digitised Super 8 film from the mid-1960s made by her father, who ventures to climb Grossglockner together with a group, putting himself in danger by simultaneously filming and negotiating Glocknerscharte, an extremely narrow section. The view of his camera here matches that of the painter Markus Pernhart in his famous Glockner painting from 1860, which marks the beginnings of alpine tourism and is hanging here, in this museum, next to the projection.

Museum Moderner Kunst Kärnten, Burggasse 8, 9021 Klagenfurt am Wörthersee, Austria

T: +43(0)50.536.16252 · www.mmkk.at